Koloniale Spuren in der Kleinstadt

Sina Oelrich in ihrer Ausstellung im Museum Uslar - Foto: privat

Speere, Straußeneier, chinesisches Porzellan: Rund 50 Objekte aus den ehemaligen deutschen Kolonien sind im Museum Uslar vorhanden. Die Göttinger Masterstudentin der Neueren Geschichte Sina Oelrich hat die Objekte untersucht und deren Weg in die Sollingstadt recherchiert. Zusammen mit dem Museum Uslar hat sie die Ergebnisse für eine Ausstellung aufbereitet. „Zwischen Uslar und Übersee – Koloniale Verbindungen“ ist noch bis zum 31. August 2025 im Museum Uslar zu sehen.

Für ihre Recherchen hat Oelrich mehrere Jahrgänge der örtlichen Zeitung „Sollinger Nachrichten“ nach Informationen aus den Kolonien durchgearbeitet. Das war eine aufwändige Arbeit, weil das Archiv nicht digitalisiert ist. Außerdem konnte sie Briefe, Aufzeichnungen und ein Tagebuch auswerten und mit dem Material Biographien der Uslarer in den Kolonien erstellen. „Die Objekte wurden bislang noch nicht wissenschaftlich untersucht“, erzählt Oelrich. „Das war natürlich eine Riesenchance für mich als Studentin, dieses Neuland zu erforschen.“

Speere waren beliebte Mitbringsel – Foto: privat

Mindestens zwölf junge Männer aus Uslar waren zwischen 1891 und 1916 in den damaligen deutschen Kolonien tätig. Dazu gehörten unter anderem das heutige Namibia, Samoa und Palau, das sogenannte „Kiautschou“ in China und viele weitere Gebiete. Die jungen Männer arbeiteten beim Zoll, als Kolonialsekretär oder sie leisteten militärischen Dienst. Die Objekte brachten sie als „Andenken“ oder „exotisches“ Mitbringsel in die Heimatstadt. Doch wie gelangten die Objekte ins Museum?

„Die eigentliche Sammlung entstand erst in der NS-Zeit“, so das Ergebnis von Oelrichs Recherchen. Im Zuge des nationalsozialistischen Kolonialrevisionismus hatte ein Uslarer Ehepaar die Gegenstände gesammelt. Diese Sammlung wurde nach dem Krieg im neu gegründeten Museum ausgestellt.

Das Thema ist komplex und es zeigt, wie eng auch kleine Städte in das koloniale System verwoben waren. Für die Ausstellung hat Oelrich die Grafiken komplett selbst erarbeitet. Sie hat einen Zeitstrahl entworfen, um die Geschichte visuell anschaulich zu machen. Tafeln erklären die koloniale Wirtschaft und das Unrechtssystem kolonialer Gewalt. Highlight der Ausstellung ist eine Litfaßsäule mit Werbung der Uslarer Kolonialwarenläden. Sie dokumentiert, wie präsent das Thema Kolonien auch in einer Kleinstadt war. Der Blick in das faksimilisierte Tagebuch und ein interaktives Wissensquiz runden die Ausstellung ab.

Schautafeln führen in das Thema Kolonialismus ein – Foto: privat

„Ich habe unglaublich viel gelernt“, sagt die Masterstudentin im Rückblick. Nicht nur die fachliche Auseinandersetzung, auch die Projektverwaltung – die Ausstellung wurde vom Wissenschaftsförderprogramm zukunft.niedersachsen unterstützt – und das Netzwerken mit anderen Historiker*innen gehörten zu ihren Aufgaben. Demnächst wird sie auf zwei Fachtagungen Vorträge über ihre Arbeit halten. Auch eine Publikation ist geplant. Nach dem Abschluss ihres Masterstudiums möchte sie weiter an der Uni bleiben und promovieren. „Das Projekt hat mir gezeigt, dass mir Forschung Spaß macht.“

Informationen zum Ausstellungsprojekt von Oelrich sind hier zu finden.

Das Museum Uslar ist dienstags bis sonntags stundenweise geöffnet. Der Eintritt in das Museum und die Sonderausstellung ist frei. Weitere Informationen gibt es hier.

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