„Ein gutes Frühstück ist Voraussetzung“

Die Göttinger Geophysikerin Dr. Johanna Kerch im Eislabor

Wenn die Göttinger Geophysikerin Dr. Johanna Kerch ins Labor geht, zieht sie Mütze, Schal und Handschuh an: Ihr Arbeitsplatz, ein Eislabor, misst im Bedarfsfall minus 18 Grad und ist dafür ausgestattet, die Bohrkerne von Gletschern zu untersuchen. Gut geschützt liegt das Göttinger Labor im ersten Stock der Fakultät für Geowissenschaften und Geographie und ist nur über einen Vorraum zu betreten. Dort stapeln sich Jacken, Skihosen und dicke Stiefel in vielen Größen. Die Kleidung ist für die Studierenden und Wissenschaftler*innen, die in der Kälte arbeiten wollen. An der einen Seite des Vorraums steht eine große Kühltruhe mit Proben.

Die Arbeitsstätte selbst misst rund vier mal fünf Meter und ist an Wänden, Boden und Decke dick isoliert. Drei große Ventilatoren sorgen für stabile Minustemperaturen. Zur Ausstattung gehören unter anderem ein Schneidegerät für Eispräparate, eine Bandsäge, ein Messgerät sowie ein Computer zur Auswertung der Daten.

In ihrer Forschung beschäftigt sich die Wissenschaftlerin mit Eiskristallen und wie sie im Gletscher orientiert sind. „Diese Orientierungsverteilung ist anisotrop, sie ist also Orts- und richtungsunabhängig“ erklärt Kerch. „Das hat einen wichtigen Effekt auf die Fließbewegung von Eis.“ Mit Hilfe von Anisotropie, Geometrie und Temperaturen können Eisforscher*innen zum Beispiel Fließmodelle für Gletscher entwickeln.

Schnitt aus dem Bohrkern: Die verschiedenen Farben zeigen die unterschiedliche Kornorientierung an

Grundlage für die Berechnungen am Computer ist die Auswertung der Aufnahmen von den Schliffen. Da ist handwerkliches Können gefragt „Am besten gefällt mir die Handarbeit mit dem filigranen Material der Schliffe“, so Kerch. „Das ist beinahe meditativ, wenn man sich an die Kälte gewöhnt hat“. Zwei Stunden Arbeit am Stück sind im Eislabor erlaubt. Kaffee trinken hilft gegen die frostigen Temperaturen und ein gutes Frühstück ist die wichtigste Voraussetzung. „Mit leerem Magen hält man es nicht lange in der Kälte aus“, schildert sie ihre Erfahrungen.

Die Bohrkerne kommen aus Grönland, aus den Alpen aber auch aus der Antarktis. „Manchmal ist es eine richtige Zitterpartie, dass die Kühlkette auch eingehalten wird, zum Beispiel, wenn das Paket zu lange im Zoll liegt“, sagt Kerch. Meistens landen die Proben aber sicher in der Göttinger Kühlung.  

Wie fast alle Polar- und Gletscherforscher*innen arbeitet Kerch eng mit dem Alfred-Wegner Institut in Bremerhaven zusammen, wo sie auch viele Untersuchungen durchführt. Ihre Studierenden, die sich für eisige Regionen interessieren, können dort Praktika machen. „Es gibt nirgends in Deutschland ein Studienfach Glaziologie“, sagt Kerch. „Da bin ich froh, dass Studierende hier die Möglichkeit haben, einen tieferen Einblick in die Materie zu bekommen“.

Im Vorraum stehen warme Stiefel in unterschiedlichen Größen bereit

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