Dienende Rolle oder Profitmaximierung

Finanzplatz Frankfurt mit Commerzbank, Sparkasse, Landesbank und Deutscher Bank – Foto: Leonhard Niederwimmer/pixabay

In der Finanzkrise ab 2007 standen Banken am Pranger, weil sie mit ihren risikoreichen Geschäftspraktiken Wirtschaft, Gesellschaft und Staaten in gefährliche Schieflagen gebracht haben. Gefordert wurde eine Umgestaltung und strikte Regulierung des Bankwesens. Im Rahmen eines Forschungsprojekts haben sich Wissenschaftler des Soziologischen Forschungsinstituts Göttingen (SOFI) an der Universität Göttingen mit der Rolle und den Funktionsvoraussetzungen des Bankenwesens in kapitalistischen Gesellschaften der Gegenwart befasst. Wir haben bei PD Dr. Michael Faust und Prof. Dr. Jürgen Kädtler nachgefragt.

Ihr Buch im Campus Verlag trägt den Titel: Was sollen und dürfen Banken tun? Welche Erwartungen gibt es an die Rolle von Banken in unserer Gesellschaft?

Banken wird herkömmlicherweise eine dienende Rolle gegenüber Wirtschaft und Gesellschaft zugeschrieben. Sie sollen Kredite für Investitionen und Konsum sowie Anlagemöglichkeiten für private Vorsorge bereitstellen oder vermitteln. Leitlinie soll dabei das wohlverstandene Kundeninteresse unter sorgfältiger Abwägung der Risiken sein. Der Bankgewinn ist dabei nicht Selbstzweck, sondern die Voraussetzung dafür, dass diese Aufgaben verlässlich wahrgenommen werden können.   

Wo entspricht das Handeln von Banken den Erwartungen, wo nicht?

Privatbanken, aber auch einige Landesbanken haben unter Abkehr von diesem traditionellen Leitbild die Maximierung des eigenen Profits in den Vordergrund gestellt. Im Zeichen von Vertriebs- und Marktorientierung ging es nicht mehr in erster Linie um den Kundennutzen, sondern darum, möglichst lukrative Finanzprodukte unterzubringen. Dies und das Verschieben von Kreditrisiken in undurchsichtige Verbriefungskaskaden trugen entscheidend zu der Finanzkrise bei, die dann wieder auf die Banken zurückfiel.

Einerseits wird kritisiert, dass der von den Finanzmärkten ausgeübte Renditedruck das soziale und ökologische Gefüge bedrohe, andererseits sollen Banken bei der Finanzierung von Klimapolitik und nachhaltigen Produktionsweisen helfen. Wie ist dieses Spannungsfeld aufzulösen?

Die Finanzkrise von 2008 führte vordergründig zu einer Rückbesinnung auf das traditionelle Leitbild und erhöhtem Ansehen von Genossenschaftsbanken und Sparkassen. In der Realität aber blieb die proklamierte Umkehr unvollständig und instabil. Und die Kriterien für als nachhaltig beworbene Geldanlagen sind vielfach intransparent. Ob Nachhaltigkeitsziele auf diesem Wege erfüllt werden können oder doch grundlegendere Reformen des Bankenwesens erfordern, steht gegenwärtig zur Debatte.

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Sie finden das Interview auch in campus|inform Januar 2023 auf Seite 5: www.uni-goettingen.de/uniinform

Zum Buch:

Bernhard Emunds, Michael Faust, Jürgen Kädtler, Ulrich Klüh (Hg.): Was sollen und dürfen Banken tun? Gesellschaftliche Erwartungen in und nach der Finanzkrise, Campus Verlag 2022, 463 Seiten, ISBN 9783593512884, 48 Euro
www.campus.de/buecher-campus-verlag/wissenschaft/soziologie/was_sollen_und_duerfen_banken_tun-16225.html

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