Ästhetik, Autorschaft und KI-Kunst

Kunstwerke erschaffen und Kunst erleben: Diese kreativen Fähigkeiten unterscheiden uns Menschen von anderen Lebewesen. Inzwischen simuliert die Künstliche Intelligenz diese Kreativität: Apps malen auf Knopfdruck Bilder verschiedener Stilrichtungen, KI komponiert Songs und Chatbots schreiben Gedichte. Die Göttinger Philosophie-Professorin Dr. Catrin Misselhorn diskutiert in ihrem Essay, wann ein Werk als Kunst gelten kann. KI-generierte Werke dienen ihr dabei als Brennglas für ästhetische Fragen, zum Beispiel welche Rolle die Autorschaft spielt.

Misselhorn nähert sich dem Thema mit Arthur C. Danto, der im Jahr 1964 als junger Philosophie-Professor in einer Galerie auf Andy Warhols Nachbildungen von Produktverpackungen stieß. Was ist Gegenstand, was Kunst? Nach Danto ist der Kontext und die Notwendigkeit der Interpretation wichtig: Ein Kunstwerk muss eine Bedeutung verkörpern, ist Ausdruck einer Art und Weise, die Welt zu sehen. Dies alles, führt Misselhorn aus, setzt eine Intention und absichtsvolles Handeln beim Schöpfen eines Kunstwerks voraus, das dann interpretiert wird.

Können also künstliche Systeme eine Idee ausdrücken und genuine Kunst schaffen? Bedeutet es einen Unterschied für die ästhetische Erfahrung, ob ein Werk von einem Menschen oder einer Maschine stammt? Diesen Fragen widmet sich Misselhorn in ihrem Buch anschaulich und in verständlicher Form mit zahlreichen Beispielen aus Literatur und Philosophie, Musik, bildender Kunst und Fotografie.

Damit ein Gegenstand Kunst ist, müsse einem bestimmten Autor die ästhetische Verantwortung zugeschrieben werden, so Misselhorn, was jedoch bei künstlichen Systemen nicht möglich sei:

„Sie können ihre Handlungen weder beabsichtigen und bewusst planen, deshalb sind sie ihnen nicht zurechenbar. Noch verfügen sie über eine Persönlichkeit oder Weltsicht, die sie zum Ausdruck bringen könnten, weshalb ihnen ihr Handeln auch nicht zuschreibbar ist. Sie können eine Persönlichkeit bestenfalls bis zu einem gewissen Grad simulieren; (…) Die Zuschreibung ästhetischer Verantwortung erfordert im Gegensatz dazu, dass der Persönlichkeitsausdruck auch auf die richtige Art und Weise von der Persönlichkeit hervorgebracht wurde.“ (Seite 55)

So entstehe ein Vakuum, weil auch der programmierende Mensch für das Handeln der selbstständig generierenden Maschine nicht verantwortlich sei.

Bleibt schließlich die Frage, wie sich KI-generierte Simulationen oder gar Fälschungen auf unsere Kunstwelt auswirken. Hierzu entwirft Misselhorn drei Zukunftsszenarien und schließt mit dem Satz:

„Wie es letztlich mit der Kunstpraxis weitergehen wird, entscheiden wir durch unseren Umgang mit der Kunst heute.“ (Seite 136)

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