Auslandssemester in Zeiten von Corona

Rio auf ihrem Balkon in Palermo

Rio studiert Klassische Archäologie im zweiten Mastersemester an der Uni Göttingen und ist für ein Auslandssemester in Palermo, Italien. Wir haben Sie gefragt, wie das Corona-Virus nun ihren Alltag bestimmt.

Wieso bist du gerade in Palermo?
Die Wahl fiel gerade auf Palermo, weil die Klassische Archäologie in Göttingen einen Master mit Double Degree-Option anbietet. D.h., dass man einen internationalen Doppelabschluss hat – in Göttingen und in Palermo. Außerdem hatte ich das Glück, bei den letzten zwei Exkursionen, die ich gemacht habe, diese Stadt schon kennenzulernen und habe dann die Inspiration bekommen, hier zu studieren und auch hier ein Praktikum im Archäologischen Museum antreten zu können.

Seit wann bist du dort?
Ich bin seit dem 18. Februar in Palermo. Die Uni hätte regulär am 4. März starten sollen und ich wollte mich, bevor die Uni anfängt hier einleben, eine Wohnung finden und die Sprache noch lernen in einem Intensivkurs. Den habe ich noch angetreten. Schon am zweiten Kurstag wurde der Sprachkurs direkt abgebrochen, weil der erste Coronavirusfall in Palermo gemeldet wurde. Dann wurden auch die ersten Maßnahmen getroffen, wie, dass der Unistart auf den 9. März verschoben wurde. Ab dem 10. März ist dann ganz Italien als zona rossa in Quarantäne gesetzt worden. Die Online-Kurse konnten aber seit dem 9. März so weiter stattfinden.

Wie sieht die „italienische Quarantäne“ aus?
Das ist schwer zu sagen, da sich das Ganze auch seit dem 10. März ständig verändert hat. Es wurde fast wöchentlich (oder öfter) Dokumente vom Staat erlassen, mit denen man sich ausweisen sollte – wo man wohnt, wer man ist und warum man gerade das Haus verlässt. Zu Anfang war es auch noch erlaubt, Sport zu machen, da sich dann aber zu viele Leute beim Sport getroffen haben, wurde das Sportmachen seit circa einer Woche untersagt. Seitdem darf das Haus nur verlassen werden, um zur Arbeit zu kommen, wenn diese nicht schon geschlossen ist, und die Einkäufe zu erledigen.

Wie geht es dir mit der aktuellen Situation?
In diesem Moment würde ich sagen, mir geht’s gut. Da ich umgezogen bin, denn in meiner alten Wohnung hätte ich vermutlich gesagt: „Es ist fürchterlich!“. Ich hatte dort keinen Zugang zu meinen Mitbewohner*innen und habe zum Glück früh genug beschlossen, umzuziehen. Seit ich in meiner neuen Wohnung lebe, ist die Lage auf jeden Fall etwas erträglicher. Ich habe hier Mitbewohner*innen, mit denen ich mich gut unterhalten kann. Sie sind auch Sizilianer*innen und helfen mir bei meinem Italienisch und ich fühle mich mit denen nicht alleine, kann mit ihnen kochen und backen. Ich wohne gerade mitten im Markt, das erleichtert mir auch die Lage, da ich nicht in den langen Schlangen an den Supermärkten ausharren muss. Ich kann aber auch verstehen, wenn einem die Situation hier nicht gefällt. Ich habe auch Erasmusstudent*innen kennengelernt, die ganz alleine, ohne Mitbewohner*innen in ihren Wohnungen gerade verharren müssen.

Finden trotzdem Kurse an der Università di Palermo statt?
Nachdem der Unistart auf den 9. März verschoben wurde, wurden die Kurse online organisiert. Die kann ich alle auch antreten. Außer meinen Italienischkurs, dafür gab es noch keine Organisation. Darauf warte ich jetzt noch und hoffe, dass der bald organisiert wird, damit ich mein Italienisch aufbessern.     

Kannst du in anderer Form Kontakt mit anderen Studis haben?
Ich habe leider keine Möglichkeit, die anderen Kommiliton*innen und Student*innen kennenzulernen. Außer, dass ich sie jeden Tag auf ihrer Webcam sehe. Aber ich hatte das Glück, dass mir der Koordinator des Erasmus hier die Kontaktdaten von zwei anderen Archäologiestudentinnen, die auch hier ihr Erasmus machen, gegeben hat. So habe ich die wenigstens vor der Quarantänezeit kennengelernt habe. Und ich habe das Glück, dass ich die Palermitaner*innen, die durch das Double Degree-Programm letztes Jahr nach Göttingen gekommen sind, kennengelernt habe. Jedoch sind sie auch erst während der Quarantänezeit zurückgekommen, sodass ich nicht keinen Kontakt zu ihnen haben konnte.

Wie sehen deine Tage aktuell aus?
Ich habe noch Unizeugs aus Göttingen zu erledigen. Ich habe hier die Vorlesung. Ich nutze die Zeit, um endlich „Herr der Ringe“ zu lesen – ich bin schon im zweiten Buch! Ich koche viel, da ich hier am Markt wohne und wirklich Zugang zu frischem Obst und Gemüse täglich habe. Meine Mitbewohner*innen sind sehr freundlich, daher fällt es mir bisher noch nicht allzu schwer.

Wie gehen die Italiener*innen mit Corona um? Was sind deine Eindrücke?
Die Italiener*innen sind hier sehr ernst mit der Quarantäne und dem Coronavirus umgegangen. Die Freunde, die ich habe hier in der Stadt, haben sich sofort von mir abgekehrt und sind in ihre Häuser eingekehrt. So wurde es schnell sehr einsam und ich bin froh, dass ich die Wohnung gewechselt habe. In den ersten Wochen gab es eben auch die Konzerte auf den Balkonen. Die nehmen das wirklich sehr ernst.

Hast du darüber nachgedacht, wieder nach Göttingen zurückzukommen?
Ich habe schon darüber nachgedacht, nach Hause zurückzukehren. Aber jedes mal, wenn die Sonne nicht scheint, ich trübe Gedanken hege, dann mache ich eine Pro-Contra-Liste, also eher eine Palermo-Göttingen-Liste in meinem Kopf… Ich muss schon sagen: Diese Stadt ist so schön, dagegen kann Göttingen leider nicht ankommen. Wenn hier dann auch mal die Sonne scheint, die Stadt würde ich in Göttingen ganz schön vermissen. Außerdem habe ich auch eine große Hoffnung auf die Euphorie nach der Pandemie oder zumindest nach dem Hausarrest ausgelöst wird, dass die quasi ein historisches Ereignis ist, das ich dann miterleben kann. Dass dann halt überall eine Verbundenheit herrscht, dass man diese Pandemie überstanden hat. Und ja, ich freue mich auf’s Ende.

Das Interview als Video, Berichte von anderen Auslandsstudierenden und vieles mehr gibt es auf dem Instagram-Kanal @unigoettingen

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