Puzzle- und Detektivarbeit in Archiven des Bergbaus

Karte mit Klappen aus dem Jahr 1756 - Niedersächsisches Landesarchiv Abteilung Wolfenbüttel (K3960)

Ein Besuch im Bergbauarchiv in Clausthal-Zellerfeld war ein zentrales Erlebnis für Simone Hacke. Im Rahmen eines Masterseminars des Instituts für Historische Landesforschung wurde ihr klar: Hier liegen viele unerforschte Themen und das quasi vor der Haustür. Seitdem ist sie in das Bergbauwesen eingetaucht und erforscht den Wissens- und Kulturtransfer zwischen dem Oberharz und europäischen Bergwerken im 17. und 18. Jahrhundert.

Zunächst musste Hacke sich die bergbaulichen Fachbegriffe erarbeiten und das Entziffern frühneuzeitlicher Handschriften einüben. Bei Recherchen für ihre Masterarbeit zum Thema „Kultur- und Wissenstransfer der europäischen Montanregionen“ stieß sie in Berichten, Briefen und weiteren Quellen auf Reisen Harzer Bergleute nach Schweden und auf den Beruf des Markscheiders.

Der schwedische Erfinder Christopher Polhem reiste Ende des 17. Jahrhunderts durch Europa, um hier das Maschinen- und Bergwesen zu studieren und besuchte dabei auch den Harz. In der Folge wurden zwei Harzer Bergleute bei Polhem ausgebildet und brachten Neuerungen mit in ihre Heimat. Einer von ihnen war Bernd Ripking, der in Schweden unter anderem die Kunst der Klapprisse erlernte – eine für seine Rolle als Markscheider wichtige Weiterentwicklung.

„Die Markscheider sind eine spannende Berufsgruppe“, sagt Hacke. „Sie konnten gut lesen und schreiben und sie hatten mathematische Kenntnisse, insbesondere der Geometrie. Später kamen auch geologische Kenntnisse hinzu.“ Damit waren sie gefragte Spezialisten, die die Grenzen der Gruben vermessen haben. „Sie konnten aber auch berechnen, in welche Richtung Stollen getrieben werden sollten, hatten den Überblick über das Netz von Gruben, ihre Bewetterung und das unter- wie oberirdische Wassersystem sowie das frühe Maschinenwesen.“ Dies alles hielten die Markscheider detailliert in Observationsbüchern und in Karten, den sogenannten Rissen, fest. Nach schwedischem Vorbild wurden auch im Oberharz den Seigerrissen Klappen hinzugefügt, unter denen die nächste Ebene, zum Beispiel weitere Stollen, zu finden sind.

Die Reisen der Oberharzer Spezialisten sind in Berichten an das Bergamt und in Briefwechseln umfangreich belegt. Die Tätigkeit der Markscheider und ihre Rolle im Bergwesen wie auch die starke Vernetzung der Bergwerke im Oberharz, in Sachsen, in der heutigen Slowakei sowie in Norwegen und Schweden fand Hacke in technischen Akten, Personalakten und den Protokollen von Bergamtssitzungen – eine Puzzle- und Detektivarbeit, die sie nun als Doktorandin fortsetzt.

Archivarbeit in Oslo – Foto: Simone Hacke

In ihrer Dissertation wird sie Markscheider im Oberharz zwischen 1600 und 1800 im Überblick vorstellen sowie deren zunächst rein praktische Ausbildung, die später zunehmend institutionalisiert wurde. Im Zentrum wird aber weiterhin der Kulturtransfer zwischen den Bergwerken stehen. „Vor allem die Markscheider wurden auf Reisen geschickt, weil sie allumfassende Berichte schreiben konnten, einen guten Überblick über die eigenen Bergwerke hatten und nicht nur sich selbst fortbildeten, sondern neues Wissen mitbrachten“, fasst Hacke zusammen. Bei einer Recherche im Archiv im norwegischen Kongsberg im Mai 2022 stieß Hacke auf einen Sonderfall. Denn hier wurde damals ein Erzbergwerk mit deutschem Know-how und nach deutschem Vorbild aufgebaut.

Überhaupt ist die Doktorandin beeindruckt, wie schon damals ein solch großes Netzwerk unterhalten wurde. Und sie betont, dass die Karten der Markscheider auch heute noch eine Rolle spielen, zum Beispiel im Straßenbau als Informationsquelle über alte Gruben im Untergrund.

Simone Hacke

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