Alle Lebewesen sind das Ergebnis einer Millionen Jahre langen Entwicklung. Im 19. Jahrhundert war diese Sicht auf das Leben noch umstritten. Der Biologe Ernst Haeckel (1834 bis 1919) vertrat den Evolutionsgedanken vehement, rief die Stammesgeschichtsforschung ins Leben und setzte sich für die Freiheit des Denkens ein. Der Göttinger Zoologe Prof. Dr. Rainer Willmann hat eine ausführliche Biografie über Haeckel geschrieben.
Darin zeichnet er zum einen Haeckels Lebensweg und seine biologischen und philosophischen Sichtweisen auf das Leben im zeithistorischen Kontext nach. Zum anderen stellt er Haeckel mit seiner künstlerischen Begabung vor. Denn ab den 1860er-Jahren erschienen Haeckels Werke über Lebewesen aus den Tiefen des Ozeans – vor allem einzellige Strahlentierchen, aber auch Seesterne, Quallen und Schwämme –, in denen er tausende neue Arten beschrieb. Diese stellte er in unzähligen, am Mikroskop erarbeiteten Zeichnungen dar, für Haeckel eine „Anschauung der Natur im kleinsten Raum“. Einige dieser Zeichnungen sind in der Biografie abgebildet und zeugen von der Akribie, mit der Haeckel vorging.
In einem ausführlichen Kapitel geht Willmann in der Biografie auf Rassismus und Kolonialismus, Haeckels Bild von der Vielfalt der Menschen und das humanistische Erbe der frühen Evolutionsbiologen ein; in weiteren Kapiteln auf Haeckels Einfluss auf den Jugendstil und den Menschen als Teil der Natur.
Rainer Willmann: Ernst Haeckel. Zoologe, Künstler, Philosoph und Freidenker, S. Hirzel Verlag 2023, 384 Seiten, ISBN 978-3-7776-2900-1, 32 Euro