Frühsport, Kirschblüten und andere Perspektiven

Monumentales Eingangstor am Campus der Seoul National University – Foto: Sophie Bross

Als ich mich im zweiten Bewerbungsdurchlauf für einen Restplatz im Global Exchange Programm der Universität Göttingen bewarb, rechnete ich kaum mit Erfolg. Mein Schnitt war solide, aber nicht herausragend, und die Seoul National University (SNU) galt für mich als „Harvard Koreas“ – weit weg und unerreichbar. Erst eine Freundin ermutigte mich: „Probier’s doch einfach!“ Und tatsächlich kam im November 2024 die Zusage für das Sommersemester 2025. Von da an lief ein Countdown: Wohnung untervermieten, Visum beantragen, Koffer packen, Kurse wählen. Mein Alltag bestand plötzlich nur noch aus To-do-Listen.

Warum Seoul National University?

Die SNU ist die renommierteste Universität Südkoreas und zählt zu den führenden Hochschulen Asiens. Viele Politiker*innen und Wissenschaftler*innen haben hier studiert. Gleichzeitig war die Uni Schauplatz wichtiger Demokratiebewegungen – für mich als Politikwissenschaftlerin besonders spannend.

Der Campus liegt am Fuße des Gwanak-Bergs, wunderschön eingebettet zwischen Hügeln und Wäldern. Mit über 200 Gebäuden ist er deutlich größer als die Uni Göttingen. Wer wie ich zu Fuß zu den Seminaren läuft, hat morgens automatisch Frühsport, auch wenn Shuttle-Busse verkehren. Öfters begegnete ich dabei schon frühmorgens älteren Leuten in voller Wandermontur, die drauf und dran waren, den Berg zu erklimmen.

Ich wohnte im Studentenwohnheim direkt auf dem Campus. Praktisch: Nebenan gab es Mensa, Café und sogar einen Convenience Store. Eigentlich hätte man das Gelände nie verlassen müssen, die Versorgung war perfekt.

Studieren in Korea – ähnlich und doch anders

Meine Kurse reichten von International Political Economy bis zu einem Koreanisch-Anfängerkurs. Der Aufbau der Seminare war ähnlich wie in Göttingen: viel Lektüre, Essays, Diskussionen. Korea hat ja den Ruf, ein extrem strenges Bildungssystem zu haben. Aber auf Masterniveau war es vergleichbar mit Deutschland, nur dass ich eben viel stärker mit internationalen Perspektiven konfrontiert wurde. Gerade weil die Perspektive in Deutschland oft eurozentrisch bleibt, war es spannend, über Korea-Amerika-Beziehungen, Ostasien oder den Umgang mit Russland aus einer anderen Perspektive zu lernen.

Alltag zwischen Campus, Cafés und Kirschblüten

Ein typischer Tag sah für mich so aus: Nach dem Seminar mit Freund*innen einen Kaffee trinken oder in einer der vielen Mensen essen. Danach in die Bibliothek oder in ein Café zum Lernen. Wenn ich richtig konzentriert arbeiten musste, war die Hauptbibliothek mein Lieblingsort: große, leise Lesesäle mit der perfekten Lernatmosphäre.

Abseits des Studiums gab es dank des SNU Buddy-Programms ständig etwas zu erleben: Taekwondo-Kurse, Kinobesuche, ein Ausflug in den Freizeitpark Lotte World, Museumsführungen und sogar ein Workshop in traditioneller koreanischer Handwerkskunst, der Mother of Pearl Craft. Besonders in Erinnerung bleibt mir die Kirschblütenzeit: Der ganze Campus erblühte in Rosa und plötzlich saß man unter den Bäumen, trank Kaffee und genoss den Frühling.

Teich mit Springbrunnen und Kirschblüte auf dem Campus – Foto: Sophie Bross

Kultur erleben, Freundschaften schließen

Seoul ist eine Stadt, die niemals schläft – ob traditionelle Paläste wie Gyeongbokgung, moderne Viertel wie Gangnam, kleine Bars in Hongdae oder einfach Street Food an jeder Ecke. Über die Seoul International Student Association habe ich außerdem viele Ausflüge gemacht, unter anderem in einen buddhistischen Tempel. Besonders wertvoll fand ich aber die Begegnungen mit Studierenden aus aller Welt. Über Sprach-Tandems und das Deutsch-Koreanische Café habe ich Freundschaften geschlossen, die wahrscheinlich noch weit über mein Auslandssemester hinaus Bestand haben.

Mein Fazit

Ein Semester an der SNU ist intensiv, spannend, manchmal chaotisch – aber es lohnt sich. Ich habe mein Fach aus einer neuen Perspektive kennengelernt, eine Kultur erlebt, die anders und gleichzeitig vertraut wirkt, und viel über mich selbst gelernt. Deshalb mein Rat an alle, die zweifeln: Mach es! Auch wenn die Bewerbung anstrengend ist, auch wenn die Noten nicht perfekt sind – die Erfahrung, ein Semester im Ausland zu studieren und zu leben, ist unbezahlbar. Und vor allem, unterschätze dich niemals selbst.

Sophie Bross mit Maskottchen – Foto: Sophie Bross
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