„Pilot-Projekt der Hotspot-Lager in der Ägäis ist gescheitert“

Im Lager Moria auf Lesbos - Foto: Knut Bry

Überfüllte Lager auf den ägäischen Inseln, mangelnde Verteilung Schutzsuchender von den EU-Außengrenzen in die Mitgliedsstaaten, Rückführung von Migrant*innen in die Türkei: Seit längerem wird um eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) gerungen. Während der deutschen Präsidentschaft des Europäischen Rats, die heute beginnt, will die Bundesregierung diese Reform vorantreiben. Das Konzeptpapier des Bundesinnenministeriums sieht unter anderem vor, dass Schutz suchende Menschen bereits an den EU-Außengrenzen einer Vorprüfung unterzogen werden – verbunden mit unbefristeten freiheitsbeschränkenden Maßnahmen. Der Rat für Migration hat zu den deutschen Reformvorschlägen Handlungsempfehlungen veröffentlicht – auf Basis einer Expertise der Göttinger Migrationsforschenden Valeria Hänsel und Bernd Kasparek.

Hänsel untersucht seit mehreren Jahren die Lebensbedingungen von Geflüchteten auf der östlichen Mittelmeer-Route – vor allem in Griechenland. Dort hat auch Kasparek geforscht, aktuell untersucht er die europäischen Grenzpolitiken seit 2011. Beide gehören zum Forschungsteam des internationalen Projekts „RESPOND – Multilevel Governance of Mass Migration in Europe and Beyond“ am Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie der Universität Göttingen.

In ihrer Expertise gehen sie der Frage nach, ob die Hotspot-Lager in Griechenland eine Blaupause für die geplante GEAS-Reform sein können. Denn der Hotspot-Ansatz verfolgt bereits seit 2015 das Ziel, Migrationsbewegungen über schnelle Registrierungen an den EU-Außengrenzen zu steuern. Hinsichtlich der praktischen Umsetzung bisheriger Regelungen – hierzu gehört vor allem die EU-Türkei-Erklärung von 2016 – kommen die Forschenden zu dem Schluss, dass stattdessen „die Errichtung grenznaher Infrastrukturen der Einsperrung und der beschränkten Bewegungsfreiheit für Asylsuchende“ erfolgte.

Anhand der Situation und Praktiken in den Lagern auf den griechischen Inseln zeigen sie die Auswirkungen des „beschleunigten Grenzverfahrens“ mit Schnellverfahren und Zulässigkeitsprüfung und der Definition der Türkei als „sicheren Drittstaat“ auf. Sie kritisieren die Entwicklung hin zu Langzeitlagern, den drastischen Abbau von Rechtsgarantien und die Entstehung von Sonderrechtszonen mit einer Fragmentierung des Asylsystems. Als Kern des aktuellen Vorschlags der Bundesregierung zur Neuausrichtung des GEAS sehen Hänsel und Kasparek die Aufteilung des Asylverfahrens in den Dreischritt Vorprüfung anhand von Kriterien wie sichere Dritt- und Herkunftsstaaten, Zuständigkeitsentscheidung und Durchführung des Asylverfahrens. Ihre Analyse zeige, so schlussfolgern sie, dass ein solcher Versuch der Verfahrensbeschleunigung im Pilot-Projekt der griechischen Inseln gescheitert sei.

Expertise „Hotspot-Lager als Blaupause für die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems? Politikfolgenabschätzung des Hotspot-Ansatzes in Griechenland“ (pdf):

Empfehlungen des Rats für Migration für eine GEAS-Reform (pdf):

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