Mobiles Physik-Labor für die Hosentasche

DigiPhysLab: Entwicklung von Praktikumsversuchen mit dem Smartphone – Foto: Universität Jyväskylä/Antti Lehtinen

Praktische Übungen sind ein wichtiger Baustein im Physik-Studium. In Pandemiezeiten können die Studierenden die Versuchsaufbauten aber nur eingeschränkt oder gar nicht nutzen, um physikalische Phänomene zu verstehen und Messdaten auszuwerten. Wie können diese Versuche so weiterentwickelt werden, dass Studierende sie auch außerhalb der universitären Praktikumsräume durchführen können? „Vieles, was im Labor gemessen wird, lässt sich auch mit unseren Smartphones realisieren“, sagt Prof. Dr. Pascal Klein.

Der Juniorprofessor für Physik und ihre Didaktik an der Universität Göttingen ist am neuen Projekt „DigiPhysLab: Developing Digital Physics Laboratory Work for Distance Learning“ beteiligt. Seine Kooperationspartner kommen von den Universitäten Jyväskylä (Finnland) und Zagreb (Kroatien). Im Projekt sollen 15 Praktikums-Aufgaben entwickelt, didaktisch charakterisiert und getestet werden. Anschließend wird alles frei nutzbar sein. Das Projekt wird im EU-Programm Erasmus+ (Strategische Partnerschaft) zwei Jahre lang mit insgesamt 250.000 Euro gefördert.

Klein hat sich schon während seiner Promotion in Kaiserslautern mit der Frage befasst, wie sich Sensoren in Smartphones nutzen lassen. Als Postdoc lernte er in Finnland Dr. Antti Lehtinen kennen, der nun das neue Projekt koordiniert. Gemeinsam mit seiner Kollegin Dr. Ana Susac in Kroatien befragte Klein im Sommer 2020 über 500 Physik-Studierende an mehreren europäischen Universitäten, wie diese mit der Online-Lehre und den Corona-Bedingungen klarkommen. Hinsichtlich der Praktika ergab die Untersuchung: Studierende, die im Labor oder online per Video selbst Daten erheben können, berichten über einen höheren Lernerfolg als diejenigen, die mit vorgegebenen Datensätzen arbeiten müssen.

„Dieses Ergebnis liefert uns Argumente für das neue Projekt“, so Klein. „Wir müssen Studierende befähigen, eigene Daten zu generieren.“ Und hier kommt das Smartphone ins Spiel: Mit Apps greifen die Studierenden auf die Daten der standardmäßig verbauten Sensoren für Beschleunigung, Luftdruck und Magnetostatik zu und arbeiten mit diesen weiter. „Befestige ich ein Smartphone mit Klebestreifen an einer Tür, öffne diese weit und schlage sie zu, kann ich die Beschleunigung dieser Rotationsbewegung über die Zeit messen“, gibt Klein ein Beispiel. „Und ich kann auch die Frage beantworten, wie sich der Luftzug, der beim Zuschlagen der Tür entsteht, auf deren Rotation und Beschleunigung auswirkt. Die Luftreibung bewirkt eine Abnahme der Beschleunigung, die mit dem bloßen Auge nicht sichtbar ist, in der Messung aber beobachtet werden kann. Durch die zeitaufgelösten Daten lassen sich so verschiedene Reibungsmodelle testen.

Was so einfach klingt, ist bei der Aufgabenentwicklung mit vielen Fragen verbunden, vor allem mit didaktischen Herausforderungen wie dieser: Sollten die Lehrenden den Studierenden genaue Vorgaben für die Versuche machen oder eher offene Fragen stellen und nur eine allgemeine Anleitung geben? Auch für die Evaluation der entwickelten Aufgaben ist zum Beispiel zu klären, wie der Lernerfolg der Studierenden gemessen werden soll. „Langfristig ist schließlich wichtig, wie wir die neuen Tools im Physik-Studium einsetzen werden“, so Klein.

Mehr zum Projekt unter https://www.jyu.fi/digiphyslab

Ergebnisse der Befragung der Physik-Studierenden: https://journals.aps.org/prper/abstract/10.1103/PhysRevPhysEducRes.17.010117

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