Was steckt im Göttinger Koffer?

Eine Kuriosität verwahrt das Mathematische Institut der Universität Göttingen: den sogenannten Göttinger Koffer. In ihm steckt die Lösung, wie ein regelmäßiges 65.537-Eck nur mit Zirkel und Lineal konstruiert werden kann.

Dass das regelmäßige 17-Eck mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist, vermochte Carl Friedrich Gauß bereits 1796 zu zeigen. Damit war die Frage nach der Konstruierbarkeit des regelmäßigen n-Ecks allerdings noch nicht beantwortet. Unter welcher Voraussetzung dies möglich ist, formulierte Gauß erst fünf Jahre später. Rund hundert Jahre danach beschäftigt sich Johann Gustav Hermes jahrelang damit, die Konstruktion eines regelmäßigen 65.537-Ecks durchzurechnen.

Am 4. November 1879 beginnt der Gymnasiallehrer diese Tüftelei. In seinem „Diarium zur Kreisteilung“ führt er alle zugehörigen Berechnungen für die Konstruktion nach Gauß’scher Vorlage explizit aus. Mehr als zehn Jahre später ist er fertig: Seine Berechnungen, Tabellen und Zeichnungen füllen etwa 250 eng beschriebene Seiten.

Er ließ die großformatigen Blätter binden und einen Holz-Koffer auf Maß anfertigen, dessen Oberseite den Schriftzug „J. Hermes“ trägt. Damit reiste er nach Göttingen, um sein Werk an das Mathematische Institut zu übergeben. In der Fachwelt fand Hermes mit seiner Fleißarbeit keine Resonanz. Immerhin konnte er 1895 eine 17-seitige Zusammenfassung in den Nachrichten der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen veröffentlichen.

Bei der Ersten Nacht des Wissens im Jahr 2012 stellte Holger Kammeyer die Arbeiten von Gauß und Hermes vor. Seine Präsentation gibt es hier zum Download:

Ein Koffer voller Zahlen wird am Mathematischen Institut verwahrt.

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