Studierende geben Sprachunterricht an Berufsschulen

Workshop an der Uni Göttingen: Vorbereitung des Sprachunterrichts in der Berufsschule – Foto: Swetlana Meißner

Arbeitsanweisungen im Betrieb verstehen, Produktionsabläufe erklären, Informationen weitergeben, Termine vereinbaren, ein Fehlerprotokoll erstellen: Die Anforderungen der beruflichen Kommunikation sind vielfältig und komplex. Für Auszubildende aus aller Welt kann die deutsche Sprache im Beruf eine zusätzliche Herausforderung sein. Studierende des Masterstudiengangs Interkulturelle Germanistik/Deutsch als Fremdsprache der Universität Göttingen haben diese Azubis an den Berufsbildenden Schulen in Northeim unterrichtet. Dabei tauchten sie in eine neue Welt ein und meisterten auch Schwierigkeiten, die durch die Corona-Pandemie hinzukamen.

In Workshops zur Vorbereitung des Praxisstudienprojekts unter der Leitung von Dr. Swetlana Meißner setzten sich die Studierenden mit den verschiedenen Berufsfeldern auseinander: Agrarwirtschaft, Bautechnik, Fahrzeugtechnik, Körperpflege, Versorgungstechnik oder Zahnmedizin. „Natürlich waren wir alle schon einmal beim Friseur oder hatten mit einem Anlagenmechaniker zu tun, wenn das Warmwasser streikte“, sagt Studentin Lena Vollmers. „Wir wussten aber nicht viel darüber, wie dieser Beruf aus der Perspektive der Auszubildenden aussah.“

Also befassten sich die Studierenden mit konkreten Berufshandlungsfeldern und den damit zusammenhängenden kommunikativen Anforderungen am Arbeitsplatz. Sie entwickelten mehrere Berufsszenarien und diskutierten diese aus didaktisch-methodischer Perspektive. Im Projektteam entwickelten sie gemeinsam Ideen, wie die berufsbezogenen und fachlichen Inhalte in den Sprachunterricht integriert und der Lernprozess zielgruppenspezifisch gestaltet werden kann. An der Entwicklung von Materialien beteiligten sich auch Studierende aus dem Zertifikatsstudium Interkulturalität und Mehrsprachigkeit/Deutsch als Fremd- und Zweitsprache.

Im Februar 2020 begannen die Studierenden der Interkulturellen Germanistik dann mit ihrem Sprachunterricht in Northeim. Eine große Herausforderung für sie war, dass sie sich in Stundenplanung und -umsetzung gleichzeitig mit den für den jeweiligen Arbeitsplatz relevanten Kommunikationssituationen auseinandersetzen und dabei die beruflichen Sprachbedarfe ihrer Lernenden berücksichtigen mussten. Denn in jeder Lerngruppe waren ganz unterschiedliche Berufsfelder vertreten. So entwickelte sich ein „gemeinsames Lernen“, bei dem die Studierenden von ihren Schüler*innen noch einmal viele Einblicke in die Ausbildungsberufe und den beruflichen Alltag erhielten. „Niemand kam als fertiger Experte in den Unterricht. Wir haben alle einen Wissenszuwachs gewonnen“, blickt Studentin Josefin Christina Borns auf diese aufregende Zeit zurück.

Die Schulschließung Mitte März im Zuge der Corona-Pandemie legte das Projekt zunächst auf Eis. Im Mai setzten die Studierenden ihren Sprachunterricht im virtuellen Klassenzimmer fort. „Die Umstellung erforderte etwas Eingewöhnung auf beiden Seiten. Jedoch eröffnete sie uns eine größere Flexibilität und vielfältige Einsatzmöglichkeiten digitaler Medien und weiterer visueller Inhalte“, berichtet Tim Perschke vom Projektteam. Dass die Studierenden im Online-Format nun Gruppen mit Teilnehmenden aus demselben Berufsfeld bilden konnten, war für alle Beteiligten eine große Erleichterung.

Dafür gab es andere Herausforderungen: von zu kleinem Text auf einer Erklär-Folie, über Lernende, die immer wieder aus dem Raum „fliegen“, bis hin zu Schüchternheit der Lernenden im virtuellen Raum. Mit Kreativität, Geduld und Humor führten die Studierenden und Berufsschüler*innen das Projekt auch online zum Erfolg. Inzwischen haben einige Schüler*innen ihre Sprachprüfung auf B1-Niveau bestanden. Und mehrere Auszubildende des dritten Lehrjahres werden von ihren Ausbildungsbetrieben übernommen.

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