Ist Klimaschutz einklagbar?


Das Thema Klimaschutz ist von grundlegender Bedeutung und betrifft die unterschiedlichsten Bereiche unseres Lebens. Wir sprechen mit der Juristin Prof. Dr. Angela Schwerdtfeger, Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Universität Göttingen, über die juristische Perspektive auf Fragen des Klimaschutzes.

Prof. Schwerdtfeger, 2021 gab es weltweit rund 2.000 Klimaklagen. Aufsehenerregend war der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im März 2021, welcher das Bundes-Klimaschutzgesetz für teilweise verfassungswidrig erklärt und zu einer kurzfristigen Überarbeitung im Sommer 2021 geführt hat. Ist das Thema Klimaschutz endgültig in der Rechtsprechung angekommen?

Ja, allerdings gibt es schon lange Gerichtsverfahren, die einen Bezug zum Klimaschutz aufweisen, etwa Klagen gegen Genehmigungen – sowohl für klimaschädliche Industrieanlagen als auch für klimafreundliche Windkrafträder.

Bemerkenswert ist, dass Gerichte weltweit nun vermehrt Kläger*innen, die den Klimaschutz ins Zentrum ihrer Argumentation stellen, Recht geben. In der Konsequenz wagen immer mehr Menschen und Verbände in unterschiedlichen Konstellationen den (nicht mehr aussichtslosen) Schritt vor Gericht. Auch Klagen gegen Unternehmen häufen sich. Im Frühjahr 2021 hat beispielsweise ein Bezirksgericht in Den Haag den Ölkonzern Shell dazu verpflichtet, seine CO2-Emissionen drastisch zu reduzieren.

Kann die Justiz Einfluss auf die Klimakrise nehmen?

Kritik an Klimaklagen setzt häufig am Gewaltenteilungsprinzip an. Denn Gerichte sind nicht dafür da, Klimapolitik zu betreiben. Dies ist Aufgabe des demokratisch legitimierten Gesetzgebers. Gerichte zeigen allerdings staatlichen und privaten Akteuren die rechtlichen Grenzen ihres Handelns (und Unterlassens) auf. In dieser Funktion spielen sie auch in der Klimakrise eine maßgebliche Rolle. Das Bundesverfassungsgericht hat das ursprüngliche Bundes-Klimaschutzgesetz aufgrund zukünftiger unangemessener Freiheitsbeschränkungen der jungen Beschwerdeführer*innen für teilweise verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber aufgefordert nachzubessern. Zu Recht hat es aber auch den weiten Spielraum des Gesetzgebers betont und selbst keine konkreten Maßnahmen vorgegeben.

Gerichte spielen in der Klimakrise auch deshalb eine besondere Rolle, weil Politik stark am Wählerwillen ausgerichtet ist. Die Belange junger und zukünftiger Generationen treten in den Hintergrund. Dies erklärt auch die positiven Reaktionen selbst der für das Klimaschutzgesetz verantwortlichen Politiker*innen auf den Klimabeschluss: Harte Einschnitte sind den Wähler*innen leichter zu erklären, wenn sie erkennbar rechtlich zwingend sind.

Bürger*innenbeteiligung spielt auch in der Klimapolitik eine wichtige Rolle. Welche Potenziale und welche Grenzen sehen Sie aus juristischer Perspektive?

Um mehr hierüber zu erfahren, führe ich gemeinsam mit meinem Kollegen Prof. Dr. Simon Fink vom Institut für Politikwissenschaft das Projekt Politik und Recht erleben, Zukunft mitgestalten – Potenziale und Grenzen der Bürger*innenbeteiligung bei der Klimawende durch, das vom MWK im Zukunftsdiskurse-Programm gefördert wird. Wir wollen aus den Erfahrungen von Bürger*innen mit Simulationen eines EU-Rechtsetzungsverfahrens und einer Klimaklage neue Erkenntnisse gewinnen.

Die Klimawende ist ein gesamtgesellschaftliches Projekt, das eine breite Akzeptanz braucht. Bürger*innenbeteiligung kann diese steigern. Außerdem legt sie bereits zu einem frühen Zeitpunkt die verschiedenen im Entscheidungsverfahren zu berücksichtigenden Belange offen. Schlecht durchgeführt kann Bürger*innenbeteiligung dagegen Frustration befördern.

(Anmerkung der Redaktion: Dieser Text ist ein Auszug aus dem Portrait von Prof. Dr. Angela Schwerdtfeger im Jahresbericht 2021. Der komplette Jahresbericht ist auf den Webseiten der Universität verfügbar, das vollständige Interview findet sich dort ab Seite 18.)

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